Wenn Visa & Mastercard zur inoffiziellen Moralinstanz werden.
Das eigentliche Problem ist nicht das „Ob“, sondern das „Wer“.
Private Zahlungsdienstleister dürfen grundsätzlich eigenständig handeln. Doch wenn zwei Unternehmen den Großteil des Zahlungsverkehrs kontrollieren, wird ihr Handlungsspielraum zu einem Machtfaktor mit politischer Tragweite.
Wer entscheidet darüber, welche Inhalte „unterstützenswert“ sind?
Wer zieht die Grenze zwischen legitimer Moderation und faktischer Zensur?
Im aktuellen Fall etwa wurde bekannt, dass religiös-konservative Organisationen massiven Druck auf Visa und Mastercard ausgeübt haben – mit Erfolg. Solche weltanschaulichen Einflussnahmen auf zentrale Infrastrukturen sind demokratisch nicht legitimiert. Die Gestaltung des digitalen Raums darf nicht von privaten Moralvorstellungen bestimmt werden, sondern muss auf demokratischen, gesellschaftlich anerkannten Prinzipien basieren. Wir treten daher für eine digitale Ordnung ein, die sich an allgemeinen Freiheitsrechten und demokratischer Kontrolle orientiert, nicht an den Werten einzelner meinungsstarker Interessengruppen.
Europa muss diese Frage unserer Ansicht nach mit drei klaren Schritten politisch beantworten:
- Digitale Souveränität stärken: Wir fordern eine aktive Unterstützung der European Payment Initiative und weiterer europäischer Zahlungslösungen, um wirtschaftliche Abhängigkeiten von außereuropäischen Staaten zu verringern.
- Neutralitätsprinzip gesetzlich verankern: Zahlungsdienstleister sollen keine moralische Instanz sein. Solange Zahlungen legal sind, dürfen sie nicht willkürlich blockiert werden.
- Visa & Co. unter das EU-Gesetz über digitale Märkte stellen: Große Zahlungsanbieter müssen denselben Regeln unterliegen wie andere Gatekeeper der digitalen Welt, etwa Meta, Apple oder Google.
Denn wirtschaftliche Macht braucht demokratische Kontrolle.
Was wir derzeit sehen, ist ein Oligopol mit weitreichendem Einfluss auf die digitale Öffentlichkeit, Meinungsfreiheit und wirtschaftliche Teilhabe. Wer im Netz Inhalte einschränken kann, ohne demokratische Kontrolle, greift in Grundprinzipien offener Gesellschaften ein, auch wenn es „nur“ durch das Blockieren von Zahlungswegen geschieht.