Wirtschaftsweise fordern höheren Spitzensteuersatz

Am Mittwoch stellte der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, die sogenannten Wirtschaftsweisen, sein Jahresgutachten 2022/23 vor. Geprägt vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine liegt ein Fokus dieses Jahr auf den bisherigen und geplanten Entlastungspaketen der Bundesregierung. Die Kritik: Die Entlastungspakete seien nicht zielgenau, sie entlasten auch wohlhabende Haushalte stark. Es kämen „die bisherigen Maßnahmen wie etwa der Tankrabatt in großem Umfang auch den höheren Einkommensgruppen zugute“. Um die Inflationshilfen sozialer zu gestalten, fordert der Sachverständigenrat auch einen höheren Spitzensteuersatz. [1]

Wir, die Partei der Humanisten, treten für diesen schon länger ein. Aus unserem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021: „Wir fordern die Einführung einer weiteren Tarifzone der Einkommenssteuer mit einem Spitzensteuersatz von 50% ab einem Jahresbruttoeinkommen von einer Million Euro.“ 

Auch ließen sich die geplanten Hilfen sozialer gestalten. So ist eine Obergrenze bei der Gaspreisbremse erforderlich. Die Preisbremse sollte bei den privaten Haushalten für den Grundbedarf an Gas greifen und nicht unnötigerweise darüber hinaus. Ein hoher Gasverbrauch von Einzelnen, die ihre Pools und Villen heizen, muss nicht auch noch vom Staat subventioniert werden.

Neben der Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz äußerten sich die „Wirtschaftsweisen“ zudem dazu, ob die Schuldenbremse auch im Jahr 2023 ausgesetzt bleiben könne.

Laut Art. 115 GG lässt sich die Schuldenbremse in außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen, aussetzen [2]. Die Wirtschaft hat sich von den Folgen der Corona-Pandemie noch nicht erholt, der Klimawandel schreitet immer weiter voran und zusätzlich belasten steigende Preise die Bürger. Es droht aus der schon bestehenden Insolvenzwelle eine ernstzunehmende Wirtschaftskrise zu werden, die es zu verhindern gilt. Doch darin sieht die Bundesregierung offenbar keine außergewöhnliche Notsituation.

Nicht einmal 48 Stunden, nachdem der Sachverständigenrat Wirtschaft nochmal unterstrichen hatte, dass sich ein Aussetzen der Schuldenbremse im Jahr 2023 aufgrund der Folgen der Energiekrise erneut rechtfertigen ließe [3], betonten die haushaltspolitischen Sprecher der Ampelparteien, dass man die Voraussetzungen zur Aussetzung gar nicht erst prüfen wird – man werde zur Schuldenbremse zurückkehren [4]. Die Bundesregierung mit Finanzminister Lindner setzt weiter auf Sparkurs.

Doch man kann sich nicht aus einer Krise „heraussparen“. Schon gar nicht, wenn es sich um eine angebotsseitige Inflation handelt. Die Ursachen liegen nicht bei einer überhitzten Wirtschaft – sondern bei einem starken Energieschock, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Um die Auswirkungen dieser Ursache so gut es geht zu mindern, bedarf es breitflächiger Investitionen wie einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien samt Speicherinfrastruktur oder auch energetische Gebäudesanierungen, die den Energiebedarf senken würden. Stattdessen aber begegnet man der Krise lieber mit Pfennigfuchserei.

Dass das stramme Einhalten der hochgelobten Schuldenbremse oder gar der schwarzen Null im letzten Jahrzehnt ein Fehler war, wird nun umso deutlicher. Hätte sie die Investitionen in eine echte Energiewende nicht blockiert, wäre Deutschland heute nicht so stark von den teuren Öl- und Gasimporten abhängig, die Inflation niedriger und auch der Klimaschutz weiter vorn. Die Ausgaben heute würden niedriger ausfallen.

Um den Strommarkt längerfristig zu entspannen, empfehlen die Wirtschaftsweisen auch das Betreiben der Kernkraftwerke über den 15. April 2023 hinaus [5].

Der Atomausstieg, unter anderem durch seine schlechte CO2-Bilanz schon  länger in der Kritik, kommt zur Unzeit und dürfte die Versorgungslage  strapazieren. Eine Laufzeitverlängerung ist technisch möglich [6] und auch die bisherigen Betreiber haben bereits den Willen zur Kooperation signalisiert [7]. Sogar die Wiederinbetriebnahme einer  Anlage, welche Ende 2021 abgeschaltet wurde, wird geprüft [8]. 

Die erhöhten Preise sind überall spürbar, ob bei der Gasrechnung oder dem Dönerpreis [9]. Es geht aber nicht darum, dass der Einzelne nun auf den teurer gewordenen Döner verzichten muss – es geht um das Überleben des Dönerladens. Denn wenn sich die Kunden keine Döner mehr leisten können, kann schon bald der Dönerverkäufer die Miete nicht mehr zahlen und muss schließen. Die Inflationsspirale nimmt ihren Lauf. Vor der Pleite stehende Unternehmen dürfen nicht im Stich gelassen werden!

[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/energiekrise-und-inflation-wirtschaftsweise-fuer-hoeheren-spitzensteuersatz-1.5688721, abgerufen am 14.11.2022

[2] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_115.html, abgerufen am 14.11.2022

[3] https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/presse/details/jahresgutachten-2022-pressemitteilung.html ; https://youtu.be/egKtyANdObc, abgerufen am 14.11.2022

[4] https://youtu.be/uUBtrq1js00, abgerufen am 14.11.2022

[5] https://www.rnd.de/wirtscha,ft/spitzensteuersatz-und-laengere-akw-laufzeit-wirtschaftsweisen-geben-vorschlaege-KKAR5V4GWFFYRCYHBL7PB6ECQY.html, abgerufen am 14.11.2022

[6] https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/ukraine-krieg-experten-laengere-laufzeiten-fuer-atomkraftwerke-sind-machbar-id61918616.html, abgerufen am 04.04.2022

[7] https://www.spiegel.de/wirtschaft/akw-betreiber-bietet-laufzeitverlaengerung-an-a-bcc3fc0d-c18a-4186-9247-fd54f17efc2e, abgerufen am 04.04.2022

[8] https://www.br.de/nachrichten/bayern/bayern-prueft-wiederinbetriebnahme-von-akw-gundremmingen,Sz5R5Rt, abgerufen am 04.04.2022

[9] https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/inflation-imbissbude-in-frankfurt-am-main-verlangt-fuer-einen-doener-zehn-euro-a-92decbd5-7b78-487f-bc88-5a6151eafa52, abgerufen am 14.11.2022