Der Lobbyismus braucht mehr Transparenz

Abgeordnete bereichern sich durch fragwürdige Deals, nehmen Gehälter von privatwirtschaftlichen Unternehmen an, für die sie eigentlich gar nicht mehr arbeiten, oder pflegen obskure Kontakte ins Ausland – sie untergraben damit das Vertrauen in die Demokratie.

Wir fordern ein verpflichtendes Lobbyregister ohne Ausnahmen sowie Offenlegung sämtlicher relevanter Informationsquellen und eine Veröffentlichungspflicht für alle Nebeneinkünfte von Mandatsträgern.

Lobbyismus war in den vergangenen Wochen wieder einmal in aller Munde – und das stets mit einem sehr fahlen Beigeschmack. Der Investigativjournalismus deckte nach und nach eine Reihe von Skandalen auf, in denen sich Politiker nahe der Grenze des Illegalen bewegten und diese teilweise auch überschritten. Insbesondere einige Unionspolitiker konnten in diesen Tagen von sich Reden machen: Zum Beispiel durch Provisionen im sechsstelligen Eurobereich, die Politiker wie Nikolas Löbel oder Georg Nüßlein mit der Vermittlung von „Maskendeals“ verdienten,  und damit von der vorübergehenden Unterversorgung der Bürger profitierten . [1] Auch lange vor den Möglichkeiten im Rahmen des chaotischen Pandemiemanagements der Bundesregierung , waren Politiker nicht zimperlich, wenn es um das Verschaffen eigener Vorteile ging. Die Beispiele reichen von Hermann-Josef-Arentz, der 2004 als Abgeordneter jährliche Zahlungen von RWE erhalten hatte über Hildegard Müller, die 2005 als Abgeordnete parallel Gehalt von der Dresdner Bank bezog bis zu Karin Strenz und Eduard Lintner, die 2020 fragwürdige Kontakte nach Aserbaidschan unterhielten und dafür Geld erhalten haben sollen [2]. Erst kürzlich berichtete die Süddeutsche in einem Artikel über den CSU-Politiker Peter Gauweiler, der für nicht näher definierte juristische Beratertätigkeiten für den in der Schweiz lebenden Milliardär August von Finck mehr als 11 Millionen Euro bekam. [3].

Vorfälle wie diese sorgen dafür, dass „Lobbyismus“ mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung fast nur noch mit Korruption, Vorteilsnahme und obskuren Deals konnotiert ist. Dabei ist Lobbyismus im Sinne der Interessenvertretung von Gruppen mit verschiedensten Bedürfnissen grundsätzlich ein wichtiger Bestandteil der politischen Willensbildung. Die Interessenvertreter sind dabei so zahlreich wie divers und reichen von privatwirtschaftlichen Unternehmen und Verbänden über Nichtregierungsorganisationen bis zu religiösen Vereinigungen, wie den großen Kirchen. Problematisch wird es insbesondere dann, wenn es an Transparenz fehlt, also die Einflussnahme auf Gesetzgebungsverfahren und dergleichen nicht nachvollziehbar sind, und Ungleichgewichte entstehen, zum Beispiel durch unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten der einzelnen Interessenvertreter. Dies äußert sich beispielsweise durch die schon genannten Fälle, durch Wechsel ausscheidender Politiker auf Vorstandsposten der Privatwirtschaft oder durch Programme wie das Personalaustauschprogramm „Öffentliche Hand – Privatwirtschaft“, das Hans Herbert von Arnim im Polit-Magazin Monitor als „besonders gefährliche Form des Lobbyismus“ bezeichnete. [4,5]

Getrieben unter anderem durch den wachsenden öffentlichen Druck, wurde nun die Einführung eines Lobbyregisters und neuer Transparenzregeln für Abgeordnete beschlossen. Der Vorschlag sieht vor, dass sich professionelle Interessenvertreter unter Angabe der Auftraggeber und der finanziellen Aufwendungen in ein Register eintragen müssen. Dieses Register soll öffentlich einsehbar sein. Ausgenommen sind dabei allerdings Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, politische Stiftungen und die großen Kirchen [6]. Dass gerade die Kirchen ausgeklammert werden, ist vollkommen unverständlich. Sie gehören in Deutschland zu den größten und einflussreichsten Lobbyorganisationen, sind bestens vernetzt und haben großen Einfluss auf die Gesetzgebung, wie beispielsweise zuletzt bei den Gesprächen zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Information über Schwangerschaftsabbrüche deutlich wurde [7,8].

Diese Liste von Ausnahmen wird auch von Transparency-International kritisiert, die in der Folge ungleiche Behandlungen und fehlende Transparenz sehen [9]. Insbesondere wird das Fehlen des „legislativen Fußabdrucks“ bemängelt, mithilfe dessen in Gesetzentwürfen der Einfluss von Interessenvertretern in der Begründung der Entwürfe dokumentiert werden soll und der so in einem Eckpunktepapier von Transparency-International gefordert wurde [9,10].

Insgesamt gehen die aktuellen Bemühungen in die richtige Richtung, aber noch lange nicht weit genug. Die Einführung eines Lobbyregisters, das öffentlich einsehbar und verpflichtend ist, ist sinnvoll und deckt sich auch mit den Forderungen, die wir bereits in unserer Vision für Europa dargelegt haben. Allerdings darf es keine Ausnahmen geben – das Register muss verpflichtend für alle Interessenvertretungen sein. Ohne Registereintrag sollen der Zugang zu Institutionen, die Anwesenheit bei Sitzungen und die Ausrichtung von Veranstaltungen verboten sein. Auch den legislativen Fußabdruck sehen wir als notwendig an. Darin sollen sämtliche Organisationen aufgelistet werden, die ihre Positionen während der Entstehung eingebracht haben. Auch die relevanten Positionspapiere selbst müssen öffentlich einsehbar sein und die Gesprächstermine selbst sollen durch gewählte Volksvertreter dokumentiert werden, um Transparenz zu gewährleisten. Auch die in den neuen Transparenzregeln festgelegte Pflicht, Nebeneinkünfte von mehr als 3.000 Euro im Jahr oder 1.000 Euro im Monat genau zu veröffentlichen, geht uns nicht weit genug. [11] Vielmehr schlagen wir in unserer Vision für Europa vor, dass sämtliche Nebeneinkünfte, auch Entlohnungen für Auftritte und Reden, ungeachtet der Höhe, veröffentlicht werden müssen.

Nur so kann es transparente Prozesse geben und nur so gewinnen Bürger das Vertrauen in die Politik zurück. Wenn Lobbyismus transparent ist, kann er durch Interessenausgleich zum Gemeinwohl beitragen – aber auch nur dann. Aktuell führt er aber dazu, dass Interessen nur dort berücksichtigt werden, wo größere finanzielle und organisatorische Ressourcen vorliegen.


Unsere Quellen:

  1. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-masken-cdu-hinterbaenkler-kassierte-250-000-euro-provision-a-a5e31c3d-0002-0001-0000-000176138620
  2. Der Spiegel Nr. 11 / 13.03.2021 – Black Out
  3. https://www.sueddeutsche.de/politik/gauweiler-nebeneinkuenfte-csu-finck-1.5247091
  4. https://www.bpb.de/publikationen/XSM0IX,0,Lobbyismus_in_Deutschland.html
  5. Fernsehmagazin Monitor am 19. Oktober 2006
  6. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/lobbyregister-109.html
  7. Frerk, Carsten. „Kirchenrepublik Deutschland.“ Christlicher Lobbyismus (2015).
  8. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/088/1908894.pdf
  9. https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/einigung-beim-lobbyregister-transparenz-geht-anders/
  10. https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Aktuelles/2019/Eckpunktepapier_Allianz_fuer_Lobbytransparenz_19-06-24.pdf
  11. https://www.tagesschau.de/inland/transparenzregeln-abgeordnete-101.html